Benno.
 Welsh-Ecke
im   www. LeineBlick.de
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mit Bildern und Texten von Peter Freitag

Begrüßung
Zweite Lieferung - Meine Familie
Dritte Lieferung - Weihnachten
Vierte Lieferung - Meine große Liebe
Fünfte Lieferung - Mein Freund, der Mensch
Sechste Lieferung - Winterfreuden
Siebte Lieferung - Beim Tierarzt
Achte Lieferung - Vom Reisen




Begrüßung

Grüß Gott, mein Name ist Jimmy aus der Bauernhöhle. Rudelmitglieder, die mir freundschaftlich oder verwandschaftlich verbunden sind, dürfen Benno zu mir sagen. Zur Zeit jagt mein Rudel im Bereich Garbsen, einer kleiner Vorstadt von Hannover im Norden der Bundesrepublik Deutschland. Von hier aus geht heute mein Gruß an alle Welshies der Welt, dies in der Hoffnung, dass sich so tiefere Beziehungen zu Artgenossen werden knüpfen lassen, sofern diese von einer ähnlich freundlichen und kommunikativen  Wesensart sind wie ich. 
Spreche ich von meinem Jagdgebiet, so hat es damit, das muss vorausgeschickt werden, seine besondere Bewandtnis. Interessanterweise muss (oder darf)  ich nämlich nur in sehr begrenztem Maße an den jagdlichen Aktivitäten meines Rudels teilnehmen, finde ich doch 

meinen Anteil an der Beute in der Regel bereits filetiert und portioniert in meinem Fressnapf vor - ein Phänomen, an dessen Erklärung ich noch arbeite. Im Übrigen scheinen meine Rudelführer eine Jagdbeteiligung meinerseits auch nicht zu wünschen - wie könnte es sonst zu begreifen sein, dass ich mich in meiner Bewegungsfreiheit beständig durch eine zwar lange, den Radius aber empfindlich limitierende, seilähnliche Zugvorrichtung eingeschränkt sehe. Dies ist umso unverständlicher, als ich mich selber, sozusagen naturseitig und in aller Selbstbescheidung,  als außerordentlich jagdlich einstufen möchte, ausgestattet mit einer gehörigen Portion an Mut und Entschlusskraft, wenn nicht gar an Draufgängertum. Von daher glaube ich ganz fest daran, Entscheidendes zur Lösung der permanenten Ernährungskrise in meinem Rudel beitragen zu können, wenn man mir die entsprechenden Freiräume gestatten würde. So muss ich mich täglich mit einer traurigen Schale Beute zufrieden geben, die mir gönnerhaft vom Rudelführer zugeschoben wird, aber niemals in der Lage sein kann,  meinen  Riesenhunger zu mindern, geschweige denn zu stillen. 
Geschwächt vom Verfassen dieser ersten Nachricht, im Übrigen aber glücklich und voller Vorfreude auf mögliche Antworten, von denen ich viele erwarte, bleibt mir für heute nur noch die Ankündigung des festen Vorsatzes, dass ich mich  in Zukunft, wenn nicht in regelmäßigen, so doch in erwartbaren Abständen von zirka einer Woche über diese Adresse zu Wort melden werde, um allen Welsh-Freunden meine Einschätzung der Dinge mitzuteilen, und zwar aus der kenntnis- und perspektivenreichen Sicht eines Terriers.
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Zweite Lieferung - Meine Familie

Garbsen, Sonntag, den 17.12.2000
Indem ich nun zur Feder greife, um in der Zurückgezogenheit meiner komfortablen Wohnhöhle zum ersten Mal meiner Versprechen einer wöchentlichen Welsh-Kolumne einzulösen, beschleicht mich doch die bange Frage, ob ich dieser Herausforderung denn gewachsen bin. Allein, da alles, was ich meinen Welsh-Freunden zu berichten habe, von mir selbst erschnüffelt wurde, will ich getrost ans Werk gehen. Im übrigen sind ja wohl Wesensstärke, Instinktreinheit und eine ordentliche Zwingerstube wichtigere Voraussetzungen für das Gelingen dieses Projektes, als lange Dressuren in einer Hundeschule, für deren Besuch in meiner Familie in der Tat das Geld fehlte. 
Kommt nun die Sprache auf meine Familie, ergreift mich wie immer ein Gefühl tiefer Trauer, so dass ich mich kaum noch in der Lage sehe, meine Tränen zurückzuhalten, muss ich doch mein gesamtes Ursprungsrudel als verschollen betrachten. Zugegeben, in meinem neuen und jetzigen Rudel fehlt es mir an nichts, ja Liebe und Zuwendung meiner Rudelführerin ergießen sich wie aus  Füllhörnern über mich. Und doch schmerzt noch immer die alte Wunde des viel zu frühen Verlustes meiner ersten Familie. Obzwar die glücklichen Tage der Kindheit im grauen Nebel der Erinnerungslosigkeit versunken sind, klingt das lustige Gebell meiner Geschwistern noch 

immer in meinen Ohren. Drei an der Zahl, doch für mich alle namenlos, lagen sie mit mir an den prallen Zitzen meiner Mutter, der ewig guten Aconda aus der Bauernhöhle, womit das Geheimnis meiner Herkunft für alle eingeweihten Welshi-Kenner gelüftet wäre: ich komme aus der Zwingergemeinschaft Eggerking. Mein Vater war übrigens kein geringerer als der GB- Champion Craftsman of Gwenog. 
Wäre es mir gestattet, am Ende dieses Briefes einen Wunsch zu äußern, so müsste es der folgende sein: Sollte irgendwer aus dem großen Kreis der Welshie-Freunde etwas über den Verbleib meiner Brüder und Schwestern wissen, so bitte  ich dringlichst um Nachricht (mail: peso2151@t-online.de oder peso2151@aol.com). Auch die Identität von mir unbekannten Tanten und Onkeln welchen Grades auch immer sollten mir zu Gehör kommen. Hierzu will ich noch die Großeltern väter- und mütterlicherseits in Erwähnung bringen: auf der britischen Linie sind es der stolze Groveview Welsh Knight und seine Gattin Felstead Fix It, mütterlicherseits sind es der unvergessene Abbo a.d. Bauernhöhle und seine Gattin Debbie.

Bis zum nächsten Mal 


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Dritte Lieferung - Weihnachten

Liebe Welsh-Freunde , ich denke, ich spreche euch aus der Seele, wenn ich an den Beginn dieses dritten Briefes, der nun seine Reise um die Welt angetreten hat, den berühmten Satz aus dem Chorlied der sophokleischen Antigone stelle: „Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch.“ Zumal zu Weihnachten, möchte man sagen, wenn das Restrudel wie von Sinnen auf die Jagd geht und täglich große Mengen von Beutestücken anschleppt, diese unter großer Heimlichkeit an schwer zugänglichen Orten der Wohnhöhle verbuddelt, nicht ohne sie vorher in leuchtend buntes  Papier eingeschlagen zu haben.
 Der Gipfel der geistigen Verwirrung, meine lieben Welshies, ist erreicht, wenn meine Rudelmitglieder all die gerade schön eingewickelten Beutestücke an dem Tag, den sie Weihnachten nennen, wieder auswickeln und ein Riesenspektakel darum machen. Dabei fallen sie übereinander her, stupsen sich mit den Schnauzen und heulen und jaulen wenig später seltsame Gesänge, die ich mit meiner sonoren Stimme, mit der Mutter Natur uns Welshies ja nun einmal verschwenderisch ausgestattet hat,  einfühlsam zu unterstützen weiß.
 „Ist dies auch Tollheit, so hat es doch Methode“, möchte man da sagen, denn sie besingen dabei eben jenen Baum, mit dem  es eine ganz besondere Bewandtnis hat. Alljährlich verlässt nämlich der Rudelführer, bewaffnet mit einer Axt, die Wohnhöhle, um wenig später, schwankend wie ein Seemann 
und nach Glühwein duftend, mit einem großen Baum zurück zu kehren, der unter viel Lärm und Gezeter mitten in der Wohnhöhle aufgerichtet wird. Dies geschieht durchaus zu meiner großen Genugtuung und selbstverständlich mache ich mich, den Jahrhunderte alten Instinkten unserer Art folgend, sofort daran, diesen neuen Teil des Revieres pflichtgemäß zu markieren. Leider ernte ich hierfür nicht die mir eigentliche gebührende Anerkennung.
Findet die eine Festivität ihr Ende, beginnt auch schon die nächste, Silvester und Neujahr genannt. Hiervon ist eigentlich nicht mehr zu berichten, als dass das Rudel sich mit Gleichgesinnten zusammentut, große Mengen Beute verzehrt, und dabei Unmassen an Getränken zu sich nimmt, wobei alle durcheinander bellen. Tief in der Nacht beginnt dann der für mich interessante Teil des Festes, denn wie auf ein geheimes Kommando hin stürzen alle vor die Wohnhöhle, wobei ein lautes Knallen und Krachen anhebt, das meine jagdlichen Instinkte bis in jede Faser meines erregt zitternden Körpers drängt. Leider kann ich auch diesmal wieder keine  Beute machen. 
Liebe Welshie-Freunde, für heute bleibt mir nichts anderes, als euch ein ruhiges Ausklingen des alten Jahres zu wünschen, verbunden mit der Hoffnung, das im neuen Jahr, in dem ihr wieder von mir hören werdet, all eure Wünschen in Erfüllung gehen werden. Bleibt euch treu und lasst euch nicht verbiegen,

Euer Benno aus der Bauernhöhle


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Vierte Lieferung - Meine große Liebe

Meine lieben Welshie-Freunde, lange habe ich geschwiegen, nun aber ist es an der Zeit. „The first cut is the deepest“ wissen wir seit dem unvergleichlichen Rod Stuart und nicht weniger richtig fügt Shakespeare in „Romeo und Julia“ hinzu: „Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.“ Meine wurden geschlagen von Mystery Sally-Ann von Alsterthal, der charmantesten und wohlriechendsten Sheltie- Dame, die mir je unter die Nase kam.

Große Freude herrscht des Morgens, wenn ich meinen kleinen Liebling auf dem  Nachbargrundstück erspähe. Unter beiderseitigem Quitschen und Wimmern stürzen wir zum trennenden Zaun und beginnen dort unsere wilde Jagd, bei der wir gewissermaßen spiegelbildlich versetzt,mit dem Zaun als Mittelachse,  hart aneinander, aber jeder auf seiner Seite den Zaun entlang hetzen. Wie auf ein geheimes Kommando werfen wir uns beide am Ende herum und jagen zurück, dies mehrere Male, um dann plötzlich in der Mitte stehen zu bleiben und unsere Nasen durch den Zaun hindurch aneinander zu reiben - oh himmlischeWonnen. 
Mehrmals im Jahr wehen ganz besondere Düfte herüber, die ein mächtiges Sehnen und Streben in mir erzeugen. Wie von Geisterhand gelenkt zieht mich ein unbezähmbares Verlangen zur Geliebten. Kein Leckerbissen kann mich erfreuen, kein Spielchen mich ablenken, heulend und jammernd streiche ich den Zaun entlang, doch der Menschen verständnisloser und brutaler Witz hält meine Mystery Sally genau an jenen Tagen versteckt, an denen  ich vor Liebeslust beinahe zerspringe. 
Welches Glücksgefühl durchströmt mich aber, wenn wir uns auf einem unserer abendlichen Spaziergänge begegnen. Natürlich wittere ich meine Angebetete schon aus astronomischer Ferne; ein süßer Geruch, attraktiver als jeder Igelkot dieser Welt, dringt in meine Nase und lässt mich sofort stocksteif werden, den linken Vorderlauf und den rechten Hinterlauf heben und so sekundenlang verharren. Alsdann zerre ich, fast betäubt von den Toxinen meiner eigenen Lust , mit allen Kräften meinen Rudelführer hinter mir her in Richtung des Objektes meiner Begierden. 


Treffen wir endlich aufeinander, so beginne ich unverzüglich im Taumel meines hormonellen Wahnsinns ein Begrüßungsritual: Unter heftigstem  Schwanzwedeln, das meinen gesamten Hinterleib durch rhythmische Schleuderbewegungen in Mitleidenschaft zieht, gepaart mit kurzen, schnellen, fast explosionsartigen Luftsprüngen umtanze ich meine Süße, wobei meine Pfoten den Boden trommeln und ich mich zusätzlich noch immer wieder um die eigene Achse drehe. Dabei erhält diese tänzerische Einlage ihre besondere und aparte Note recht eigentlich erst dadurch, dass ich während dessen  immer wieder für Sekunden zur Salzsäule erstarre, nur um meinen Tanz dann umso wilder fortzuführen. 
Ob es mir gelingt, mein Sally-Mädchen mit diesem Programm wirklich zu beeindrucken, vermag ich nicht zu sagen, denn immer dann, wenn ich das süße Hinterteil meiner Geliebten  vor mir sehe und vom Vorspiel zur hauptsächlichen Angelegenheit übergehen will,  reißt mich erbarmungslos die gemeine Leine des Rudelführers zurück. 
Doch genug der Klagen:
„Ehret die Frauen, sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben.“
 Möge es euch, liebe Welsh-Freunde, gelingen, aus dieser schonungslosen Beschreibung meiner Liebessituation eine die eigene Lage mildernde Lehre zu ziehen.
Bis bald, euer Benno
 
 

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Fünfte Lieferung - Mein Freund, der Mensch
Meine lieben Welshies, 
viele Briefe habe ich erhalten mit der Bitte, meine kenntnisreiche Aufmerksamkeit doch einmal dem Thema „Der Mensch , ein guter Freund des Hundes“ zuzuwenden. So sei es denn.

Beginnen wir mit ein paar allgemeinen, als gesichert geltenden Erkenntnissen: Der Mensch ist infolge seines langen, Jahrtausende währenden Kontaktes, ja sagen wir ruhig seiner langen Partnerschaft mit dem Hund in einer Weise sozialisiert worden ,dass wir ihn gerne  als den idealen Begleiter unserer Rasse 

bezeichnen. Ich denke, ich spreche allen Menschenkennern unter euch aus dem Herzen, wenn ich die Hominiden unter den Zweibeinern als für ein harmonisches Zusammenleben besonders geeignet auszeichnen möchte. Ganz ohne Zweifel ist das menschliche Tier durch eine der unsrigen nahe kommende Lernbereitschaft und Intelligenz, gepaart mit einem gehobenen Kommunikationsvermögen, ausgestattet, was diesem Wesen  auch ohne die eigentlich notwendige wölfische Rudelvergangenheit in optimaler Weise eine Eignung zum Zusammenleben mit uns Vierbeinern zukommen lässt.
Nebenbei gibt es eine Reihe weiterer Vorteile, die sich für uns Hunde aus der Koexistenz mit dem Menschen als unmittelbar auf der Hand liegend aufdrängen: In der Regel ergeben sich paradiesische Zustände hinsichtlich der Ernährung. Das mitunter lästige, in fortgeschrittenem Alter kaum noch zu leistende Beutemachen entfällt normalerweise vollständig, bzw. kann sich auf die wenigen Fälle der Jagd aus sportlichen Erwägungen beschränken. Hinreichend große Portionen leckeren Fressens finden sich ohne unsere Zutun regelmäßig im Napf vor.
 Weiterhin scheint das menschliche Wesen auch mit einem starken, oft bis ins hohe Alter reichenden Spieltrieb ausgestattet zu sein, der es ihm erlaubt, mit einer nie erlahmenden und eigentlich nur durch Schwachsinn zu speisenden Energie Stöckchen durch die Luft zu werfen, die wir ihm dann, eher aus Mitgefühl denn aus eigenem Interesse, apportieren. 
 Auch die für unser seelisches Wohlbefinden dringend notwendigen Streicheleinheiten
erhalten wir vom Menschen immer in ausreichendem, wenn nicht gar schon in übertriebenem Maße. Kenner unserer Lebenssituation neigen in jüngster Zeit jedenfalls zu der Ansicht, dass dem Menschen die unangenehme Angewohnheit zukommt, ihre 
eigenen Interessen mit den unsrigen in einer unsäglichen Weise zu verquicken: In Wahrheit scheinen es nämlich Herrchens und Frauchens  Zärtlichkeitsbedürfnisse zu sein, die sie uns mitunter mit ihre Liebe überschütten lassen, eine Entwicklung, die in der kyneologischen Psychatrie mit wachsender Sorge betrachtet wird. 
Wer sein Leben in Glück und Würde verbringen möchte und dabei ein Zusammenleben mit dem Menschen in Betracht zieht, der sollte  vor diesem entscheidenden Schritt ehrlich die folgenden Fragen beantworten:
1) Kann und will ich die nächsten 15 Jahre mit einem sauberkeitsfanatischen Frauchen verbringen, das bei jeder Fussspur, die ich durchs Haus ziehe, in Ohnmacht fällt? 
2) Möchte ich die besten Jahre meines Lebens einem joggenden oder Fahrrad fahrenden Herrchen opfern, das mich beständig aus meinen süßestens Liebesträumen reißt und dies in der wohlmeinenden Absicht, mir durch solche sportiven Aktivitäten etwas Gutes zu tun?
3) Will  ich Ruhe und Muße eines abgeschiedenen Waldlebens zugunsten des Lärm und Gezeters  von unerzogenen Kindern aufgeben, die mich ständig mit blöden Spielchen glauben  erfreuen zu müssen, in Wahrheit aber von der Lösung wichtiger Lebensfragen abhalten?
Erst wenn all diese Fragen guten Gewissens mit Freuden und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte bejaht werden, dürft ihr, liebe Welshies,  die Nähe des Menschen suchen, wohl wissend, das diese Entscheidung auf ewig ein Wagnis darstellt. Wer sich von euch aber einmal zu diesem Schritt entschlossen hat, sollte bis zum Schluss mit verantwortungsbewusstem Respekt für dieses menschliche Wesen da sein und es nicht in Zeiten, in denen es alt, unnütz und lästig wird, an einem Autobahnschild anbinden. 
Bis bald euer Benno



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Sechste Lieferung - Winterfreuden
Der Mensch, so klagte einst Sigmund Freud, der Großmeister des Seelenlebens, sei recht eigentlich zum Unglück geboren. Die gesamte Einrichtung des Alls scheine seinem ewigen Glücksstreben zu widersprechen; ja dass er glücklich werde, sei wohl im Plan der Schöpfung nicht vorgesehen. Gottlob gilt dies, so wissen wir Welshies, nicht für den Hund, der hierin ein verwöhnter Günstling der Götter sein dürfte.
In der Tat zeigt bereits ein nur flüchtiger Blick auf den Menschen eine in Glücksfragen erbarmungswürdige Kreatur. Zu einem guten Teil ist dies sicherlich dem Umstand geschuldet, dass der Mensch sich in allen wesentlichen Bereichen von seiner natürlichen Lebensform ab und statt dessen einer artifiziellen und also schädlichen Lebensweise zugewand hat. So zerkocht der Mensch etwa das saftigste, zarteste und verlockendste Stück Fleisch vor dem Verzehr unsinnigerweise zu einer harten und trockenen Schuhsohle. 

Zudem sucht der federlose Zweibeiner seine  Befriedigung  ganz entschieden eher im spirituellen, denn im animalischen Bereich, was glückserfahrene Welshies leicht als fruchtloses Unternehmen entlarven können. Zieht es uns in diesen herrlichen kalten Wintertagen mit Macht  in die verschneite Landschaft, wo wir die Nase,


hart am Boden, an die Spur eines flüchtigen Hasen heften, drängt  der Mensch sich an den Kamin,  um sich dort dem schalen Erlebnis einer Buchlektüre hinzugeben. Dankbar muss der Rudelführer mir sein, wenn ich ihn durch eifriges Winseln und minutenlanges Umtanzen endlich dazu gebracht habe,  mit mir in die noch unberührte und frische Schneelandschaft zu ziehen, wo mein scharfer Galopp,meine irren Sprünge und scharfen Haken, die  den Pulverschnee hoch aufspritzen lassen, auch die trübsten Gedanken aus des Herren Hirn vertreiben. So gelingt es mir, und das erfüllt mich auch mit Stolz, meinem Herrchen ein wenig von jener Freude mitzuteilen, die in ihrer Primitivität und Einfachheit doch  von massiv-explosiver  Kraft ist. Dann ahnt der Mensch zumindest, was Glück sein kann, wenn er sie auch nie wie wir wird empfinden können. 
Bis zum nächsten Mal, liebe Welshie-Freunde

Euer Benno aus der Bauernhöhle


Siebte Lieferung - Beim Tierarzt
Liebe Welshie-Freunde,
neben der Kontemplation ist es wohl in ausgezeichneter Weise das tugendhafte Leben, welches dem Aristoteles und mir ein Maximum an Glückseligkeit verspricht. So einer Meinung mit einem der hervorragendsten Vertreter der denkenden Zunft will ich in diesem Briefe euch, meine Freunde, bekannt machen mit einem der zugleich dunkelsten und lichtesten, somit also widersprüchlichsten  Kapitel unserer Existenz.

Wenige Grenzsituationen gibt es noch, in denen wir die ganze Palette unserer Tugenden von der Tapferkeit, über die Klugheit bis hin zur Gerechtigkeit  leben und beweisen können, aber gleichzeitig Opfer tiefster Erniedrigungen werden.  Neben der ewig erfolglosen Katzenjagd fällt mir eigentlich nur noch der Besuch beim Tierarzt als jener Lebensmoment ein, bei dem wir den ganzen Hund zeigen müssen.

Große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus und so weiß auch ich dank meines untrüglichen Instinktes, geweckt durch eine lange Reihe vorbereitender Indizien und bestätigt durch den Anblick des obigen Zeichens, das  der fragliche Tag wieder einmal gekommen ist. 
Bereits am Eingang signalisiert mein wacher Verstand: Wer hier sich nicht sträubte und freiwillig weiter schritte, müsste von heillosem Übermute sein.

Besonnene Vorsicht, gepaart mit dem mir eigenen Witze, lassen mich sofort  in die Pose bremsender Sturheit verfallen, aus der mich keine guten Worte des Rudelführers  befreien können...
Sodann wird mich eine weiß bekittelte Schönheit zum Untersuchungstische tragen, wobei ihr zarter  Griff in mein Gemächte noch das Angenehmste bei  der anschließenden Prozedur sein dürfte.
Was nun folgt, meine geschätzten Welshie-Freunde, findet kaum die passenden Worte: Nur maßvolle Besonnenheit und  unerschütterliche Glaube an den eigenen Wert lassen mich die nun vom aseptisch riechenden Weißkittel durchgeführten und hier zu beobachtenden würdelosen Behandlungen überstehen, ohne seelischen Schaden zu nehmen. Hierbei scheint mir die Auskultation noch die harmloseste Variante, zumal sie ja immerhin mein unerschrockenes Kämpferherz zum Tönen bringt (großes Bild oben).

Gänzlich erniedrigend, weil an orientalische Sklavenmärkte erinnernd, nimmt sich demgegenüber das Zurschaustellen und Begutachten meines Gebisses aus.
Nach der nun folgenden gottlob schmerzfreien Exploration meiner Ohren springe ich mit einem Satz vom Tisch, nicht ohne meinem Peiniger das große Wort der Luise aus Schillers „Kabale und Liebe“ zugerufen zu haben: „Höre, Mensch, du gingst beim Henker zur Schule. Du treibst ein trauriges Handwerk, wobei du ohnmöglich selig werden kannst.“

Gottlob folgt zum Schluss noch eine Schmuseeinheit mit Weisskittels Hundedame vom Stamme der Labradore.

Bis zum nächsten Mal,
euer Benno

PS. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Dirk Gerisch, der sich nicht nur dem Erhalt meiner Spannkraft widmet, sondern auch für allerlei intelligenten  Schabernack zu haben ist.
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Achte Lieferung - Vom Reisen


Das Schnupperparadies der italienischen Märkte


Mehr als einen Monat habe ich verstreichen lassen, meine lieben Welshie-Freunde, bevor ich nun endlich die Kraft und Muße finde, meine Reiseimpressionen schriftlich niederzulegen. Zu stark waren noch die vielfältigen Geruchseindrücke, zu lebendig auch die Bilder der wunderbaren italienischen Hundedamen, hier nur "bella donna" genannt, als dass ich sie sofort und unverdaut hätte niederschreiben können.
Seit jeher, meine Lieben, stehe ich, was das Reisen betrifft, unter dem Banne der empfindsamen Reisebeschreibungen eines Laurence Sterne, aber auch unter dem der französischen Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, ja selbst der Einfluss eines Moritz August von Thümmel ( "Reise in die mittäglichen Provinzen" von 1881 ) ist nicht zu leugnen. Mit diesen "Spezialisten fürs Manisch-Depressive" teile ich die Auffassung vom Reisen als einem psychologischen Heilungsprozess, einem therapeutischen Unternehmen für die leidgeschundene Seele. Und wie alle großen Geister leide auch ich an der Krankheit unserer Zeit, dem Siechtum der Moderne, eben an der Hypochondrie. 


eine meditative Rast


Nur auf Reisen vermag ich für kurze Zeit dem selbstquälerischen Schwermut, den zivilisatorischen Zweifeln zu entkommen und mich völlig der heiteren Gelassenheit hinzugeben, die recht eigentlich meiner Wesensart entspricht, gehöre ich doch erkennbar zu den "gente di mare" . 
 


Nur an den mondänen Stränden der Italienischen Riviera gelingt es der mediteranen Sonne, die dumpf-brütende nordische Stumpfheit hinwegzuschmelzen und den heiteren Kern meiner Rasse freizulegen. Eigentlich ist ja das Ziel des Reisen -wenn da eine kurze Abschweifung erlaubt ist- weder das Wegfahren, noch das Ankommen, sondern das ungenannte und wahre Ziel des Reisens ist die Verwandlung.


ein Platz für echte Kenner


Die Fremde, so drückt es der unvergleichliche Günther Kunert aus, lässt den Reisenden sich selbst fremd werden, lässt ihn außer sich und seines Alltags geraten und sich selbst am Schluss als einen Anderen, Neuen wiederfinden. "Der kürzeste Weg zu sich selbst", so drückte es einst trefflich Herman Graf Keyserling in seinem auch Welshie-Freunden warm empfohlenen "Reisetagebuch eines Philosophen" aus, "führt um die Welt". Wer von meinen empfindsameren Hundefreunden hätte unter südlichem Himmel an sich selbst nicht schon einmal jene stärke Bereitschaft zur Lebhaftigkeit, zum Gestikulieren, zur Öffnung des Herzens bemerkt? Sind Phantasie und Vorstellungskraft an diesem Vorgang beteiligt, so erhöht sich auch die Intensität des Lebens - wir verfallen in eine Art permanenter Ekstase als Dauerzustand des Reisens. 


"gente di mare"
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